„Kleinvieh macht auch Mist“ – beim Scalp Trading geht es darum, viele kleine Gewinne zu erzielen und nur relativ wenige und ebenso kleine Verluste zu erleiden. Der „Trade Deines Lebens“ ist kein Traum des Scalpers. Werden die kleinen Gewinne jedoch stark gehebelt, können sich die Resultate sehen lassen. Wie läuft ein Handelstag im Scalp Trading ab? Das soll anhand einiger exemplarischer Trades verdeutlicht werden.
Die nachfolgenden Transaktionen werden in den Abbildungen auf 5-Minuten-Charts (Candlestick) und 1-Minuten-Charts (Balken) dargestellt und beziehen sich auf Trades im DAX.
In dieser Abbildung ist die Ausbildung eines Double Bottoms zu sehen: Fast wie im Lehrbuch unterschreitet das zweite Tief das erste Tief um wenige Punkte, was auch als „Bärenfalle“ bezeichnet wird und in der Praxis Scalptradings häufig relevant ist. Wichtiger sind an dieser Stelle jedoch der Aufwärtstrend im Nachgang des Doppelbodens und der Kurszielbereich, der sich aus einer Häufung diverser Hochs und Tiefs ergibt.
Die erste Aufgabenstellung für Scalper in einer solchen Situation lautet: Finde einen Einstiegspunkt mit möglichst geringem Risiko. Dazu wird zunächst der Aufwärtstrend mit einem 1-Minuten-Chart genauer analysiert. Ein geringes Risiko liegt beim Einstieg in der unteren Hälfte des (hier nur gedachten) Trendkanals vor. Dort wurde eine Position eröffnet und mit einem 8,0 Punkte tiefer gesetzten Stop Loss abgesichert.
Die Position wurde mit zwei Kurszielen eröffnet: Zum einem dem letzten Hoch bei 6.756 und zum anderen der im ersten Chart markierte Kurszielbereich der Range.
In diesem Beispiel kam es bereits kurz nach der Eröffnung der Position zu einem deutlichen Kursanstieg, der den Markt sichtbar über das letzte Hoch und damit das erste der beiden Kursziele hinaus führte. Die Marktbewegung setzte sich im Anschluss daran fort und erreichte auch das zweite Kursziel.
Allerdings wurde nicht der gesamte Marktimpuls mit dem gesamten initialen Volumen der Position gehandelt: Bei Erreichen des ersten Kursziels erfolgte eine teilweise Glattstellung mit einem Gewinn von 6,17 Punkten. Der Rest der Position wurde mit einem Gewinn von 7,5 Punkten glattgestellt, woraus ein kumulierter Gesamtgewinn von 7,5 Punkten resultiert.
Der untere Chart zeigt deutlich, dass die Schließung des letzten Teils der Position genau auf dem Hoch der Bewegung stattfand – eine solche „Punktlandung“ gelingt ausgesprochen selten. Alternativ zu der hier dargestellten Vorgehensweise wäre es möglich gewesen, nach dem ersten Kursanstieg das ursprüngliche Stop Loss-Level um einige Punkte anzuheben und dadurch die angelaufenen, aber noch nicht realisierten Gewinne abzusichern.
Im Anschluss an das Hoch kehrte der Markt um und fiel bis unter die kurzfristige Trendlinie zurück, ohne diese jedoch nachhaltig zu brechen. Eine weitere Option hätte auf den ersten Blick im Handel dieser Abwärtsbewegung bestanden. Ein entsprechendes Signal wäre nach vielerlei Interpretation beim Unterschreiten der Mitte des größten Aufwärtsbalkens ausgelöst worden. In diesem Fall hätte jedoch in der Mitte eines intakten Aufwärtstrendkanals eine Position gegen den Trend eröffnet werden müssen, was keine hinreichende Trefferquote gewährleistet.
Im Anschluss an die Abwärtsbewegung kam es –wie im obigen Chart gut sichtbar – im Bereich von 6748 Punkten zu einer Konsolidierung im Bereich der Trendlinie, die häufig der Beginn eines erneuten Aufwärtsimpulses sein kann.
Im Scalp Trading werden zumeist sehr kurzfristige Marktbewegungen fokussiert. Positionen werden nur eröffnet und aufrechtgehalten, wenn für die nächsten Minuten mit einer sichtbaren Kursbewegung zu rechnen ist. Viele Scalper ziehen deshalb eine vollständige oder teilweise Glattstellung der Position nach Erreichen eines Kursziels einer Anpassung des Stop-Loss-Levels vor. Das liegt auch den Mindestabständen für SLs (die gemessen an den Distanzen im Scalp Trading den Gewinn spürbar verringern) und der gewünschten Freisetzung von Margin, die dann in andere Trades investiert werden kann.
Am betreffenden Handelstag wurden noch weitere Trades getätigt, die zeigen, dass auch bei einem keinesfalls optimalen Marktverlauf Gewinne erzielt und Risiken eng begrenzt werden können – Scalp Trading funktioniert nicht nur unter „Laborbedingungen“. Die drei weiteren Trades sind auf den Abbildungen unten zu sehen.
Trade I
Beim ersten Trade wurde ein Ausbruch aus der Range gehandelt. Kursziel: 6760 Punkte und damit acht Punkte unterhalb des Eröffnungsniveaus der Shortposition. Die Abwärtsbewegung setzte zunächst ein, um dann bei ca. 6.763 Punkten umzukehren. Aufgrund der recht dynamischen Umkehr wurde die Position umgehend und mit einem verbleibenden Gewinn von 1,7 Punkten geschlossen.
Trade II
Der Markt tendierte wieder in Richtung der Range, so dass von einem Fehlausbruch auszugehen war. Deshalb wurde an der Range eine Longposition eröffnet, die später mit einem Gesamtgewinn von 3,7 Punkten – resultierend aus zwei Teilverkäufen mit 5,0 bzw. 2,4 Punkten – geschlossen wurde.
Trade III
Der Markt nähert sich von oben der wichtigen Zone bei 6760 Punkten, die eine signifikante Unterstützung darstellt. Deshalb wird eine Longposition eröffnet. Die Aufwärtsbewegung endete jedoch bereits bei 6770 Punkten, die Position wurde direkt mit dem Nachlassen der Dynamik mit einem Gewinn von 2,7 Punkten glattgestellt.
Insgesamt wurden mit diesen drei Trades somit 8,1 Punkte Gewinn erzielt, was beim Handel eines FDAX-Kontraktes 202,5 € entspricht.
Positionen ganz oder teilweise glattstellen?
Häufig wird der Verlauf einer Position beim Scalp Trading von der Eröffnung bis zur Schließung „auf Sicht“ verfolgt. In diesem Fall muss nicht zwingend jede Position mit einem Stop Loss ausgestattet werden, wenn stattdessen jederzeit ein eigenes Fenster zur manuellen Schließung geöffnet ist. In der Regel werden Positionen sofort glattgestellt, wenn der erhoffte Verlauf nicht eintritt. Entwickelt sich eine Position profitabel, kann die Glattstellung auch in mehr als einem Schritt erfolgen. Der verbleibende Teil der Position wird dann wiederum sofort geschlossen, wenn die erwartete Marktentwicklung nicht umgehend eintritt.
Vernünftige und ausgewogene Darstellung des Themas